re:kapitulation

Zugegeben, ich bin ein bisschen spät dran mit meinem Beitrag — selbst der in diesen Tagen arg beschäftigte Internet-Adel (Markus von Netzpolitik, Johnny von Spreeblick … eine durchaus amüsant Sprachregelung), hat bereits seine Reviews der Reviews fertig, die Party ist augenscheinlich seit eineinhalb Wochen vorbei und sowohl Berlin aus auch das Internet wenden sich wieder ernsteren Themen zu. Und nun also mache ich mich auf, eine kleine, feine Kritik zu veröffentlichen auf einem drittklassigen Weblog — was darf man da schon erwarten ? Naja, immerhin scheine ich fotogen genug zu sein, um es in die Zeitung zu schaffen …

Zur Sache: Formal war ich sofort beeindruckt; da hatte ich doch extra meine von Amiando per Email erhaltene Karte mit Hightech-Barcode ausgedruckt (ein klassischer Medienbruch, wenn ihr mich fragt) und dann fragt man mich einfach nur nach meinem Namen, schaut, ob ich auf der Gästeliste stehe und überreicht mir Namensschild und Merchandise-Tüte — Werbung macht man hier natürlich für die Guten, weswegen sich u.A. eine OpenMoon-Broschüre im Säckel fand. Und dann sind sowohl Friedrichstadtpalast als auch Kalkscheune wirklich tolle Veranstaltungsorte, die nicht nur praktisch zentral gelegen sind, sondern auch dem unterschiedlichen Charakter der Veranstaltungen — vom fulminanten Vortrag vor Massen bis zur Produktvorstellung in kleinem Kreis — größtenteils gerecht wurden.

Einige Dinge hätten allerdings durchaus besser ablaufen können — man denke an das wenig funktionale WLAN oder die ständigen Zeitverschiebungen im Programm; beides nahm ich aber nicht als sonderlich schlimm wahr — das Gefühl stimmte und so ließ ich den Laptop halt zu Hause. Missmutig stimmt mich hingegen das Versagen der Leute von Make.tv, die es tatsächlich schafften, mangels Netzwerkanbindung am ersten Tag keine Aufnahmen zu machen; fast könnte man es für einen Aprilscherz halten: Speichermedien waren offenbar tatsächlich nicht eingeplant. Die restlichen Aufnahmen stehen als proprietäre Streams zur Verfügung; ich hoffe ja, dass man sich für 2010 andere Experten ins Haus holt. Unglücklich geraten fand ich bisweilen auch die Planung — natürlich hat Alvar Freude keine Chance gegen Lawrence Lessig; und mussten nachmittags denn wirklich bis zu neun Tracks nebeneinander laufen, während morgens maximal zwei parallel auf dem Programm standen ?.

Inhaltlich gehe ich mit Gerrit van Aaken — zum Einen sagte mir der (subjektiv zu niedrige) Anspruch einiger Veranstaltungen wirklich nicht zu, des Weiteren halte ich die vielen Subkonferenzen mit nicht übersehbarem Business-Fokus für unpassend und überflüssig (möglicherweise wäre es also angemessen, diese separat zu veranstalten). Exemplarisch dafür können gleich zwei Veranstaltungen sein:

  • Da wäre die Vorstellung von Wikitude, einer Augmented Reality-Anwendung für Android-Smartphones. Obgleich die Präsentation viele Aaaahs und Ooohs hervorrief, war sie doch dermaßen inhaltsleer, dass sie auf einem Webmontag besser aufgehoben gewesen wäre. Als der Vortragende dann erwähnte, die Firma habe eine triviale Modifikation des Z-Bufferings patentiert, schlug mein Bullshit-Detektor Alarm und ich verließ den Raum — derartigen Schmarotzern der Informationsgesellschaft sollte man meiner Meinung nach kein Forum bieten.
  • Die Diskussion Aufgewachsen mit dem Netz, für die sogar extra ein waschechter Vierzehnjähriger importiert eingeflogen herangeschafft wurde (Ausschreibung hier), krankte wiederum an ganz anderen Stellen: Erst erschien ein angekündigter Diskussionsteilnehmer — Matthias „wetter“ Mehldau — nicht (es hatte auch niemand für nötig gehalten, den Eintrag im Pentabarf upzudaten), dann redeten die Teilnehmer ganz bewusst nicht über das angekündigte Thema, sondern darüber, wer bei welchem Web-Zweinull-Service angemeldet war. Naja, vielleicht hatte ich da ja zu hohe Ansprüche, schließlich habe ich erst zwei Tage vorher Accelerando gelesen.

Nicht, dass das jetzt unglaublich negativ rüber kommt — ich würde (und werde) wieder hingehen, insbesondere natürlich, um wieder viele interessante Leute aus der entsprechenden Szene (ich nenne das jetzt mal so) zu treffen. Es gab auch genügend angenehm plätschernde Talks — echte Begeisterung wie beim Congress stellte sich aber nicht ein, dafür fehlte dem Inhalt einfach der Wow-Faktor. Und zum Motto Shift Happens ! kann ich leider nur festhalten: Die einzige spürbare Veränderung war die meines Bewusstseins — beim Genuss des Freiwodkas auf der Afterparty. Achja, und der Grenzfurthner war diesmal irgendwas, nur nicht gut.

13. April 2009 von erlehmann
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Interview: moot of 4chan (Part 1)

At the third day of the re:publica 09 conference, I did meet moot of 4chan fame for an interview. Here is the first part, as audio (Vorbis) and also transcribed. Wherever I have removed something ([…]), it was either unintelligible (due to the used cell phone microphone and the abysmal quality of AMR) or insignificant (e.g. fillers like you know, which moot used really often). Everyone wanting to help with transcribing the second part (or just being curious) is advised to check the original (AMR) file.

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07. April 2009 von erlehmann
Kategorien: Audio, Interviews, Netzkultur | Schlagwörter: , , , , , , | 1 Kommentar

Beim Betteln erwischt: Amt kürzt Zahlungen

Ein Mitarbeiter des Göttinger Sozialamtes hat einer notleidenen Bank, die er eigenen Angaben zufolge mehrfach beim Betteln gesehen hatte, die Unterstützung gekürzt. Der Mitarbeiter des Fachbereichs Konjunktur kündigte in einem diesem Blog vorliegenden Schreiben an, einen Betrag von 1,2 Milliarden Euro als Einkommen durch Betteln von der Krisenhilfe abzuziehen. Die Summe habe er hochgerechnet, nachdem er die Bank mehrfach beim Betteln im Finanzministerium gesehen habe.

Bernd Grönig vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Göttingen reagierte erschüttert: So weit unten waren wir noch nie. Das Schreiben des Finanzamts sei demütigend und unterstelle, dass die Bank durch Betteln beim Bund ein regelmäßiges Einkommen habe. Der Wohlfahrtsverband überprüft den Angaben zufolge nun, ob die Hochrechnung und die damit verbundene Kürzung rechtens sind.

30. März 2009 von erlehmann
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Szenario 2020 — Das mobile Internet

Wo ist das nochmal ? Per Jabber sende ich Tina den Wegpunkt, zusammen mit dem Link zur Veranstaltung: „Holofilmproduktion“ lautet der Titel des Seminars, für das wir uns per Webform angemeldet haben. Dann trage ich sie auf die Whitelist derer ein, die meinen aktuellen Aufenthaltsort einsehen können, zeitlich befristet für die nächsten vier Stunden. Sie tut Ähnliches, schließlich chatten wir noch ein paar Minuten, bevor ich meine WG in Friedrichshain verlasse.

Bezahlen muss keiner von uns beiden für den Traffic — das berliner Mesh-Net leitet die Datenpakete überall dorthin weiter, wo Router sind. Seit schwedische Hacker 2013 die Software als Erweiterung für die mobile Mozilla-Variante Fennec präsentierten, läuft das notwendige Programm auf jedem halbwegs neuen Handy, durch die hohe Bevölkerungsdichte umfasst die Wolke nahezu den ganzen Bereich innerhalb des Rings.

Was nicht auf diesem Weg vermittelt werden kann, wird verschlüsselt über Knoten mit Internetanbindung geroutet. Gut, so schnell wie eine direkte Funkanbindung bei einem kommerziellen Anbieter ist das Ganze kaum — aber für Chats, Web und kurze Multimedia-Clips reicht es. Und ganz nebenbei umgeht man mit diesem System die überall eingesetzten Netzfilter, die sämtliche Inhalte auf Pornografie, Urheberrechtsverletzungen und unerlaubte Werbung überprüfen. Fast jeder kennt einen, den es erwischt hat — und als vor Kurzem sogar im Senat Rechner mit illegalem Inhalt entdeckt wurden, erklärte man die Karriere der verantwortlichen CDU-Politikerin kurzerhand für beendet.

In der S-Bahn lese ich die Feeds, die sich in den letzten Stunden angestaut haben — Fefe verlinkt ein Blip einer Polizeidrohne, nach dem bei einer Demo in Bayern zwei Leute durch Taser starben, verschiedene kleinere Blogs berichten ebenfalls. In etwa einer Stunde wird das Thema die Tagesschau füllen, schätze ich. Ansonsten nicht viel Erwähnenswertes: Lobo von der SPD überlegt öffentlich, aus der Bundespolitik auf EU-Ebene zu wechseln, auf 4chan /tv/ erfahre ich von einer neuen Scifi-Serie aus China; per SSH starte ich den ByteTorrent-Client auf meinem Rootserver.

Am Alexanderplatz steigt eine Gruppe jugendlicher Emos zu. Alle haben sie einen dieser unverwechselbaren Buttons auf der Brust, die schon meine sechsjährige Nichte als iPhone Nano identifizieren könnte. Nachdem sie sich im Raum verteilen, geht das Surround-Konzert los, natürlich absichtlich übertrieben laut. Genervt greife ich nach meinem Fon; nach ein paar Tastendrücken ist Ruhe — immer noch beherrschen viele Geräte Wireless USB nur unzureichend. Bis die verwirrten Kids begreifen, was passiert ist und jeder von ihnen sich bemüht, den winzigen Reset-Knopf auf der Rückseite zu drücken, bin ich schon längst wieder draußen.

Während ich in die O’burger einbiege, schaue ich kurz nach Tina: Klar, sie verspätet sich, OSM zeigt ihr Icon noch etwa 1,5 Kilometer, ganze 12 Minuten entfernt. Genügend Zeit also für einen Döner, den ich drahtlos bezahle, mit 35 GoogleCredits.

Die gesamte Vision gibt es natürlich auch als Textdatei (3000 Zeichen, Unix-Zeilenumbrüche). Und wer sich wundert, warum ich auf einmal unter die Literaten gehe, klicke bitte hier.

Ich habe natürlich gewonnen und laufe jetzt seit einigen Tagen mit einem T-Mobile G1 herum, auf dem ich auch bald Debian installieren werde — die Android-Software hat nämlich merkwürdige Kinderkrankheiten (und ich zur Zeit keine root-Rechte auf meinem eigenen Gerät). Meine Beiträge aus dem Shiftlog übertrage ich dann in den nächsten Tagen hierhin, sobald ich mal wieder Langeweile habe.

Der Freitag hat alte Beiträge depubliziert.

27. März 2009 von erlehmann
Kategorien: Fiktion, In eigener Sache, Netzkultur, Originärer Inhalt, Technik | Schlagwörter: , , , , | 1 Kommentar

Alles Paletti auf der MTC

Vor ein paar Tagen motivierte mich cccp, Autor des Pong-Klons Sponc dazu, mich einmal mehr mit der c-base MTC zu befassen. Noch bevor ich die Grundlagen der zu benutzenden Bibliothek libavg erlernt hatte, kam mir die Idee, ein Malspiel nach dem Vorbild Battle Painter zu programmieren.

Alles Paletti hat ein sehr simples Spielfeld — es besteht aus je einer farbigen Markierung in jeder Ecke und einer halbtransparenten Zeitanzeige. Die Spielregeln lauten wie folgt:

  • Wird eine Farbe berührt, wird ein Cursor erstellt, der mit der zugehörigen Farbe malt.
  • Wenn eine Runde (20 Sekunden) zu Ende ist, gewinnt die Farbe, die die größte Fläche bedeckt.

Man kann sich denken, dass das Spiel sehr hektisch verläuft und Leute mit spitzen Fingernägeln unfaire Vorteile haben. Das Programm ist in Python geschrieben und unter der GPL v3 lizensiert (Quellcode). Hier noch ein mit einer hässlichen Handykamera aufgenommenes Foto:

laufende „Alles Paletti“-Runde

Alles Paletti wurde ins libavg-SVN-Repository aufgenommen.

27. März 2009 von erlehmann
Kategorien: Bastelei, Software, Spiele | Schlagwörter: , , , , | Schreibe einen Kommentar

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