Webseiten-Löschen aus Frust
Fall 1: Ein Bekannter löscht nach dem Verlust seines Jobs seine persönliche Webseite. Ich bin verwirrt, als ich dort seine Email-Adresse nachschauen möchte. Er stellt sie später wieder her.
Die im vorherigen Absatz beschriebene Geschichte ist nach Aussage des Protagonisten nicht so passiert; vielmehr ging etwas an der Seite kaputt und er hatte keine Lust, es zu reparieren. Da war dann wohl der Wunsch der Vater des Narrativs.
Fall 2: Logs eines IRC-Kanals werden nach einer Diskussion über Fehler in der dahinterstehenden Software vom Inhaber des Servers unzugänglich gemacht. Er bietet zunächst ein Archiv der Daten zum Download an, schaltet die Seiten jedoch nach wenigen Minuten wieder frei.
Fall 3: Ein Podcaster möchte nicht, dass eine Facebook-Seite zusätzlich zur eigentlichen Webseite einer Sendung vorhanden ist. Er löscht die Webseite des Podcasts. Sein Mitpodcaster ist verärgert.
Die Webseite geht wieder. Neue Folgen wird es wohl nicht geben.
Der Facebook-Link da oben meldet nur noch Dieser Inhalt ist derzeit nicht verfügbar
. Hier ist ein Screenshot.
Am Ende müssen sie doch wieder miteinander reden.
Ich kann Umstände und Art dieses Verhaltens nicht genau einordnen; grob verordne ich es zwischen ragequit und beleidigtem Sendungsbewusstsein („Ha, mein Kram war euch wohl doch etwas wert.“). Fest steht: Die Beteiligten wollen in einer für sie belastenden Situation einen Punkt setzen; für Aufmerksamkeitshurerei halte ich es nicht.
Impulsives Amoklöschen (halb-)öffentlich zugänglicher Ressourcen ist allerdings nicht nur kindisch, sondern sabotiert auch ohne große Not die Bestrebungen aller, die sich für die jeweiligen Informationen interessieren. Wurden die Inhalte zudem von oder mit Anderen erstellt, kommt ein Vertrauensverlust dazu: Wenngleich es immer im Bereich des Möglichen liegt, rechnen nur Wenige damit, dass ihre Äußerungen einmal mit voller Absicht gelöscht werden.
Positiv bleibt, dass sich eine Depublikation recht einfach rückgängig machen lässt – Backups vorausgesetzt. Dennoch: Nichts drückt Geringschätzung gegenüber Artikeln, Kommentaren, Bildern, Audio- und Video-Dateien sowie deren Konsumenten aus wie das dem Entfernen folgende Entwerten etablierter Verweise.
Um es festzuhalten: Amoklöscher, ihr geht mir auf den Sack.
Mark Pilgrim hat alle von ihm befüllten Online-Resourcen gelöscht; entsprechende Anfragen geben nur noch die Fehlermeldung 410 (Gone) zurück.
Nadine Lantzsch löschte 18.000 Tweets aus den letzten drei Jahren.
David Pollak rechtfertigt sich für das Abschalten von scala-tools.org, reüssiert: Will this cause some inconvenience? Maybe.
(via).
Jens Ohlig (johl) erneuert die Domain warumnicht.so nicht. Er will alle Podcasts mit seiner Beteiligung gelöscht sehen, bevor er sie an jemand anderen überträgt (Chatlog).
Scott Hanselman essayiert über infosuicides (danke, plomlompom).
Julia Seeliger (zeitrafferin) löscht über 25.000 Tweets. Sie bemerkt dazu: ich fühle mich befreit von dem thema feminismus. geil.
Achtung, Patent anmelden!
: Interview mit Karlheinz Brandenburg
Im Rahmen der Musikkonferenz all2gethernow ergab sich die Möglichkeit, Karlheinz Brandenburg zu interviewen, der mit seinen Forschungen im Bereich Audiokompression die Grundlagen für die Formate MP3 und AAC geschaffen hat. Auf der all2gethernow war er Teilnehmer einer Diskussion zum Einsatz von digitalen Technologien in der Musikindustrie.
Am Anfang des Interviews stand die Frage, wer noch an der Entwicklung von MP3 beteiligt war. Brandenburgs Antwort bestand aus einer langen Liste von Namen. Es reicht an dieser Stelle wohl die Feststellung, dass das verbreitete Audioformat nicht das Werk eines Einzelnen, sondern eines Teams ist.
Die Welt ist gar nicht so: Im Jahr 2005 hat die Fraunhofer-Gesellschaft allein mit MP3-Lizenzen 100 Millionen Euro erwirtschaftet; sie selber halten über ein Dutzend Patente. War ihre primäre Motivation für die Erforschung von Audiotechnologien finanzieller Natur?
Karlheinz Brandenburg: Ganz sicher nicht. Wir haben damals auch nicht vom großen Geld geträumt, sondern es war erst einmal meine Forschungsarbeit als Doktorand, d. h. die Hoffnung war, dass die Dinge nicht nur in der Bücherei verstauben, sondern irgendwie tatsächlich angewandt werden. Ich hatte, Gott sei Dank, damals einen Chef — den gerade schon genannten Professor Seitzer — der eben dann sehr früh gesagt hat, wenn es etwas Neues gab, Achtung, Patent anmelden!
— und das habe ich pflichtschuldigst gemacht; der Rat hat mir sehr viel Geld gebracht. Und so [ging es] dann auch weiter, dass Fraunhofer […] immer darauf geschaut hat, dass intellectual property gesichert ist und eben dann Patente vorhanden sind.
Aber [das] Motiv zur Arbeit war erstmal wissenschaftliche Neugier, eine Doktorarbeit zu schreiben und etwas, das man gedacht hat, auch so weiter zu bringen — ja in gewissem Sinne der internationale Wettbewerb in der Standardisierung: Jetzt wollen wir schauen, ob wir da nicht Weltmeister werden können!
Weiterlesen →Lesebefehl: Magisterarbeit über Krautchan
In der Magisterarbeit In den Unterwelten des Web 2.0. Ethnographie eines Imageboards setzt sich Nils Löber aus kulturwissenschaftlicher Sicht mit der kritischen Internetplattform Krautchan auseinander. Ausgehend von einer siebenwöchigen Feldforschung beschreibt Löber Schauplätze und Meme deutschsprachiger Netzkultur. Zitat Klappentext:
In netzpolitischen Debatten wird häufig das Internet als „rechtsfreier Raum“ beschworen. In der vorliegenden Arbeit wird anhand einer Spezialform von Internetforen – sogenannter Imageboards – untersucht, welche Diskurse und Praktiken sich tatsächlich in einem auf vollständige Anonymität und weitgehende Regellosigkeit stützenden Kommunikationsraum ausbilden können. Zu Tage treten hierbei neben symbolischen Exzessen im Bereich Gewalt und Pornografie auch unerwartete Formen insbesondere männlicher Solidarität und reichhaltiger popularer Kreativität.
Über den Kontext „Bildbrett“ hinaus interessant ist Löbers Klassifikationsschema für Internetforen
anhand sechs sieben verschiedener Merkmale (Seite 21ff), mit dem sich auch soziale Netzwerke wie Facebook und Google+ einordnen lassen:
- Anonymität, Pseudonymität, Realnamenverwendung
- Restriktivität vs. Anarchie
- Unbegrenzte vs. begrenzte Archivierung
- Zentralisierte vs. diffuse Machtstruktur
- Threaded vs. non-threaded
- Monomedialität vs. Multimedialität
- Kommerzielle vs. nicht-kommerzielle Ausrichtung
Anzumerken bleibt: Die Recherche zur Arbeit endete Anfang 2009. Folglich werden weder die gegen Sascha Lobo gerichteten Trollereien noch dessen nachfolgende Beiträge zur Trollologie (2010, 2011) behandelt; auch Countryballs und die Aufregung feministischer Bloggerinnen nach der re:publica 2010 bleiben unerwähnt. Weswegen die recht bekannte Casio-Kopierpaste nicht vorkommt, ist mir allerdings unklar.
Krautchan wird ebenfalls erwähnt in der Diplomarbeit Die Bedeutung von Depression, Insomnie und internetspezifischen maladaptiven Kognitionen für problematischen Internetgebrauch.
Snowblind: Spaghetti-Western im ewigen Eis
Snowblind ist ein trashiger Western. In einer Eiswüste. Mit Cowboys auf Motorrädern. Der Anfang ist schnell erzählt: Ein zum Tode verurteilte Taugenichts wird vom lokalen Machthaber begnadigt, um einen alten Meisterschützen umzulegen. Statt dies sofort zu tun, freundet er sich jedoch erst einmal mit der Zielperson an und verknuspert ganz nebenbei dessen Frau. Zahllose Schießereien und abstruse Plotverrenkungen folgen.
Stilistisch erinnert der Film an das Grindhouse-Feature Planet Terror, Stichwort Greenscreen. Mag man das, wird es bei 90 Minuten Laufzeit definitiv nicht öde. Die Hauptdarsteller Robert Lyons und Erik Hansen sehen im Übrigen auch recht gut aus. Hier ist das Torrent.
Gefunden habe ich Snow Blind bei Vodo beim Suchen nach neuen Folgen von Pioneer One.
Linkschleuder (19)
Spiele
- Z-Type — Tipptrainer-Ballerorgie als Browserspiel (danke, gmaxwell)
- Evil Cult — Minimalistisches Globalstrategiespiel (4X) im Browser (via)
- See You Later! — Hüpf-und-Spring mit Alligator, Babys und Zeitmaschine
- Pax Britannica — Echtzeit-Taktik, wird mit nur einer Taste gesteuert (via, GitHub)
- Shattered Silence — musikalische Zombies infizieren eine dystopische Zivilisation
Musik
- Ambient-Hintergrundmusik des Spiels Two Anthropomorphic Bubbles (via)
- Kyle Pulver’s Games — Mini-Album von Alec Holowka, Entwickler von Aquaria (via)
- Portal 2: Songs to Test By, Volume Ⅰ & Ⅱ — Soundtrack zu Portal 2 (via /b/)
Musikvideos
- Fight of the Century: Keynes vs. Hayek Round Two — Rap- und Box-Kampf zwischen den Ökonomen John Maynard Keynes und Friedrich August von Hayek (danke, Frank und Fefe)
- Namen machen — Alligatoah kann auch Gitarrenrap mit Internetwitzen (via /b/)
- Bilder mit Katze — Frittenbude erzählen von der Generation Audiolith (danke, xbg)
- Horrible Turn — Fan-Prequel zum Musical Dr. Horrible’s Sing-Along-Blog (via)
- Egoshooter — melancholischer Deutschpop (danke, DachgeschossBernd)
Albernes
- Die Fliege ist doof — der Jahreszeit angemessener Insektenhass
- Mein Freund Stefan Mappus — Titanic erklärt Facebook (danke, xbg)
- Verschwurbelte Darstellung von IRC in der Fernsehserie NUMB3RS (via)
- Strukturierte Getränkebestellung mit der Starbucks Query Language (danke, matthiasr)
- “In den Unterschichtswohnungen die Fernseher kaputtschlagen!” — Harald Martenstein über die Rache der Wohlhabenden (via /b/)
Technik
- The Barnes-Hut Algorithm — effizientes Berechnen eines N-Körper-Systems (via)
- The Incredible Power of Dijkstra Maps — Zielsuche und Fluchtverhalten in Rogue-likes
- Erklärung der Funktionsweise von Perlin-Rauschen
- A Guide to Undefined Behavior in C and C++, Part 1 (via)
- An Uber-comparison of RDFa, Microdata and Microformats (danke, karlcow)