Zur Depublikation bei der FAZ

Sehr geehrter Herr Schirrmacher,

neulich wurde bei der FAZ das Blog von Julia Seeliger gelöscht, nachdem sie länger keine Artikel ablieferte. Dies ist der zweite mir bekannte Fall, in dem FAZ-Artikel gegen den Willen von Autoren gelöscht werden, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Ich halte dieses Vorgehen für einen Fehler. Sicher ist das Vernichten aller Texte eines Autors ein deutliches Signal. Doch Artikel werden öfter gelesen, kommentiert und verlinkt als geschrieben. Insofern enttäuschen Sie Leser, Kommentatoren und alle, die auf gelöschte Texte verlinkten.

Kurz: URLs sind Wegweiser im Netz. Diese zu verdrehen, ist Sabotage.

Möglicherweise fürchten Sie, dass Leser durch die Verfügbarkeit alter Informationen kognitiv überfordert werden. In diesem Fall möchte ich Sie bitten, mit gutem Beispiel voran zu gehen: Löschen Sie einfach die eigenen alten Texte, bevor noch jemand daraus zitiert!

Meine telefonische Anfrage, ob sich die FAZ durch das Löschen von Artikeln an ehemaligen Autoren rächt, wurde übrigens mit „Das ist höchst individuell.“ beantwortet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

mit freundlicher FAZialpalmierung,

Ihre email kann vorläufig nicht beantwortet werden. Sie wird nicht weitergeleitet und nicht gespeichert.

Die FAZ löscht das Fernsehblog:

Alle bisherigen Fernsehblog-Beiträge werden voraussichtlich noch bis Ende Oktober abrufbar sein.

Auch das Supermarktblog wollen sie nicht. Das ist übrigens vom gleichen Autor, Peer Schader – wem der wohl ans Bein gepinkelt hat? Immerhin wurde es an anderer Stelle gesichert:

Im Archiv lassen sich alle Einträge aus der Zeit bei FAZ.NET aufrufen. (Die Kommentare von damals leider nicht.)

Die taz hat einen Artikel zur Blogverbrennung:

Warum also gerade das Aus für das Fernsehblog? Geld oder Klickzahlen sollen keine Rolle gespielt haben, sagt Nils Minkmar, Feuilletonchef der FAZ: “Wir wollten unser Blogangebot mal erneuern”, wie man das bei Kolumnen in der Zeitung auch ab und an mal mache.

Vielleicht sollte die FAZ ihren Feuilletonchef mal erneuern?

Die FAZ euthanasiert auch das Biopolitik-Blog von Oliver Tolmein:

Das Biopolitik-Blog auf faz.net wird zum Ende des Monats leider eingestellt werden. Auch das Archiv des Blogs (das mittlerweile 222 Einträge enthält) wird dann hier nicht mehr erreichbar sein.

Weiß eigentlich jemand, warum Don Alphonso (der wirklich kein zynisches Dreckschwein ist) sich da halten kann?

Julia Seeligers ehemaliges FAZ-Blog Allerseelen ist zur Zeit erreichbar; ich speicherte sämtliche Artikel und erstellte ein Archiv aller Beiträge.

Allerseelen ist wieder weg. Cachingfehler?

Der Nutzer hat sich entschieden seinen Account zu löschen – damit sind die Inhalte nicht länger verfügbar.

09. August 2012 von erlehmann
Kategorien: Netzkultur, Rants | Schlagwörter: , , , | 9 Kommentare

Kommentare (9)

  1. Weiß eigentlich jemand, warum Don Alphonso (der wirklich kein “zynisches Dreckschwein” ist) sich da halten kann?

    Gegenfrage: Warum sollte die FAZ ihr mit Abstand meistkommentiertes Blog “Stützen der Gesellschaft” absägen?

  2. Die taz zum Fernsehblog:

    8.140-mal wurden die Texte von Niggemeier und Schader kommentiert (Stand: Montagnachmittag). Auch da weisen nur zwei faz.net-Blogs höhere Werte auf.

    Schaut jetzt für mich jetzt nicht danach aus, dass Beliebtheit etwas zählt bei der FAZ.

  3. Naja, “Stützen der Gesellschaft” hat mehr als zweieinhalbmal so viele Kommentare wie der ganze Rest der FAZ-Blogs (Das Buchmessenblog “Überdruck” und “Deus ex Machina”, wo Don A. ebenfalls gelegentlich mitschreibt, habe ich da mal rausgenommen). Oder im direkten Vergleich: Das Fernsehblog hatte grad mal rund ein Zehntel der Kommentare von SdG. "Deus ex Machina", wo ich auch bisweilen mitwirke, hat in nicht mal zwei Jahren mehr Kommentare versammelt als das Fernsehblog in vier Jahren. Also ich finde, diese Relationen werden in der taz-Geschichte nicht wirklich adäquat abgebildet.

    Davon abgesehen hat es mich aber auch gewundert,
    dass es beide Blogs von Peer Schader erwischt hat.

  4. Ups, da fehlt eine spitze Klammer im vorigen Kommentar. ;-(

  5. Danke für die Statistik – beeindruckend, wie sehr der Don dominiert. Deinen Tippfehler habe ich korrigiert.

    Peer Schader rief ich mehrmals an, um zu erfahren, was passierte; er ging nicht ans Telefon.

  6. Ah, danke fürs Reparieren. Ohne genau zu wissen, an welchem Punkt die beteiligten Parteien nicht mehr zusammenkamen, muss ich sagen, dass Peer Schader in meinen Augen nicht unbedingt unklug handelt, den Ball flach zu halten in der Angelegenheit und erst mal den Umzug beider Blogs möglichst reibungslos abzuwickeln. Das ist es nicht zuletzt, was den Profi von Amateuren unterscheidet.

  7. Da enthalte ich mich einer Beurteilung, aber auf den ersten Blick scheinen mir die Vorgänge nicht so recht vergleichbar.

  8. Ach, ich hatte Inhalte auf die Domain einer anderen Person geschaufelt und hab zur Unzeit eskaliert. Bìn eben nicht besonders clever.

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