Feministinnen: Leichte Beute für Trolle

Forumsbeitrag Krautchan: „Erschießen sollte man diese Fotze.“

Lauter Perverse. So musste es wohl auf Uneingeweihte wirken, was am Rande der diesjährigen re:publica-Konferenz geschah: Bei zwei Veranstaltungen — zu Sexismus im Netz und Modeblogs — wurde der dem Livestream anhängige Chat geflutet mit Spam, Beleidigungen und Kopierpaste. Quelle der Trollereien ist ein Internetforum, das ich an dieser Stelle nicht nennen werde. Auch im re:publica-Blog hat man das Thema bereits kommentiert.

Es ist kein Zufall, das gerade Sessions dieser Art von derart intensiver Trollerei betroffen sind — ebensowenig wie es kein Zufall ist, dass gewisse Feministinnen jene Ereignisse sofort als Beleg für real existierenden Sexismus […] im Internet ansehen und infolge dessen übereifert Alarm in ihrem Blog schlagen. Zwischen beiden Punkten besteht ein ursächlicher Zusammenhang: Gewisse Verhaltensweisen verleiten Trolle dazu, weiterzumachen, ja sogar ihre Anstrengungen zu intensivieren — schon lange lautet ein Sinnspruch zum Thema „Don’t feed the trolls.“; die nun empörten Bloggerinnen begehen eben den Fehler, diese Weisheit nicht zu beachten.

Vorab: Auch ich habe einen Vortrag auf der re:publica gehalten — und in diesem ging es um genau das Internetforum, dem besagte Trolle entsprangen. Es handelt sich bei dieser Seite um ein „Bildbrett“, d.h. ein anonymes Forum, in dem das Anhängen von Bildern an Beiträge eine große Rolle spielt; derartige Foren haben eine ganz eigene Kultur, mit der ich mich seit Jahren auseinandersetze. Und natürlich wurden auch schon in meine Richtung (leere) Drohungen ausgesprochen und eher weniger schöne Fotomontagen verbreitet; mich stört das bisher wenig.

Der wohl wichtigste Aspekt, der einen selbst zum lohnenden Trollziel macht, ist das Ernstnehmen von Trollbeiträgen. Wie schon erwähnt, nehmen viele die konkret gefallenen Äußerungen als Beleg für Sexismus — Trollen kommt es allerdings kaum auf den Inhalt an, vielmehr geht es um Provokation: Überfallen sie ein rechtes Forum, geben Trolle sich als Linke aus, bei Ausländern und Antifa wird mit Naziparolen provoziert — und auch im konkreten Fall werden eben die Sprüche abgelassen, mit denen man am meisten (negatives) Feedback abgreifen kann; Beschimpfungen bis hin zu Todesdrohungen sind an der Tagesordnung.

Derartiges Gebaren nicht von dem eines ernstzunehmenden (politischen) Gegners zu unterscheiden, ist wenig zielführend. Wie man statt dessen handeln kann, wurde erst kürzlich von einem bekannten berliner Blogger in seinem Vortrag How to survive a shit storm am eigenen Beispiel erläutert — zur Wahl stehen: Ignorieren, Löschen, Diskussion schließen, Diskurs an sich reißen und (für den höchsten Schwierigkeitsgrad) zurücktrollen.

Massive Empörung mitsamt öffentlicher Anprangerung hat er jedoch nicht empfohlen, aus gutem Grund — ist dies doch eine der Reaktionen, auf die Trolle abzielen. Im aktuellen Fall ist der Effekt durchaus bemerkenswert: Ist ein Blogeintrag geschrieben, nehmen andere Bloggerinnen das Thema auf und so regt man sich nun schon seit fünf Tagen über ein paar Äußerungen auf, die ansonsten schnell vergessen wären. Johnny Häusler bemerkt hierzu im re:publica-Blog:

Screenshot-Slideshows und Twitter-Hinweise auf Trolle führen unserer Meinung nach nur dazu, den entsprechenden Kommentaren eine noch größere Bühne zu bieten […]

Um es noch mal zu betonen: Wichtig ist, zu realisieren, dass es hier mitnichten um Sexismus bzw. das Totschweigen desselben geht: Wenn eine Aussage — und sei sie ARSCHVERLETZTES EMANZENPACK — dutzende Mal gespammt wird, macht das zuerst einmal deutlich, dass da jemand die Kommunikation stören will. Darauf seinerseits mit Empörung und Beschimpfungen zu reagieren, ist selten der richtige Weg, sich für Trolle uninteressant zu machen und nimmt dem Kampf gegen tatsächliche sexistische Praktiken wertvolle Resourcen.

Im Übrigen finde ich es nicht gerade zivilisiert, auf den Veranstaltern rumzuhacken, weil diese Trollerei „zulassen“ würden: Johnnys Entscheidung, auf die Provokationen nicht mit Abschalten des Streams zu reagieren, bewies Augenmaß und ist in Anbetracht der Alternative — kein Stream — immer noch die beste Lösung.

Ebenfalls ist der Vorwurf des Piratenweibs, ich oder der freundliche Typ aus der Abteilung Frisurenmarketing hätten die Trolle angelockt, bei näherer Betrachtung unhaltbar: Andere per Livestream übertragene Events wurden ebenfalls in besagtem Internetforum rezipiert, so etwa der stellenweise überaus amüsante Laberflashmob aus dem Hause ZIA. Weiterhin war dort auch bekannt, dass es von meinem Vortrag allenfalls Audio-Aufnahmen geben wird; die Spekulation mit den enttäuschten Streamzuschauern ist insofern wenig plausibel.

Ach, und ich betreibe kein Bildbrett.

plomlompom macht sich auf CARTA weitere Gedanken zum Thema: Die Ressource Ignoranz.

21. April 2010 von erlehmann
Kategorien: Netzkultur | Schlagwörter: , , , , , , , , | 20 Kommentare

Kommentare (20)

  1. Pingback: Die re:publica 2010: Trolliert « Zivilschein

  2. Audio-Aufnahmen?

    Tu wollen.

  3. Du bist kein männlicher Alphablogger, also hast du keine Relevanz.
    Du bist keine Frau die überall Sexismus sieht, also hast du keine Relevanz.
    Der Regel-und-Scheissesturm des feministischen Internetlynchmobs wird über dich einbrechen!

  4. Ach Berlinbernd, tu nicht so als hättest du Bernd nicht eindrücklich zum Spammen animiert und aufgefordert. Deine Menschenveranchtende Feigheit finde ich Menschenverachtend.

  5. Du hast recht. Danke für deinen Blogbeitrag, auch wenn Bratenhengst leider teilweise recht hat, und Dein Beitrag wohl wenig Aufmerksamkeit erhalten wird.

  6. Danke für diesen Beitrag, erle, den ich so ähnlich seit Tagen im Kopf hatte und für dessen Niederschrift mir keine Zeit blieb.

    Eine wichtige Ergänzung dennoch: Trotz der richtigen Abgrenzung von Trolltum und Sexismus als zwei unterschiedlicher Phänomene muss natürlich klar sein, dass auch die Trolle persönlich möglicherweise (oder sogar wahrscheinlich) ganz schlimme Sexisten sind. Ob sie die Sexismus-Trollerei daher nur um des Trollens willen verfolgen oder damit tatsächlich außerdem ihre eigene traurige Agenda verfolgen, muss offen bleiben.

  7. Bin ganz deiner Meinung. Den grundlegenden Gedanken deines Textes hatte ich bereits dem Piratenweib per Kommentar mitgeteilt, sie verstand natürlich kein Wort und zickte nur noch weiter rum. Was solls, mir kanns egal sein, bringt mich das ganze doch einmal am Tag zum lachen.

    Hat jemand der “integrer, authentischer Mensch mit Standpunkten” Frau mal auf diesen Blog Eintrag hingewiesen?

  8. Ich finde diesen Beitrag wichtig und habe ihn verlinkt.

    @Philip Diese Offenheit bei den Trollen ist ja das Geile daran. Bei den Getrollten ist die Verbohrtheit hingegen offensichtlich.

  9. Pingback: fritten.cc » Blog Archive » Rum. Gelaber. #1

  10. … Es ist schon hart, was aus Leuten wird, die in einem fensterarmen Raum unter dem Haus ihrer Eltern leben …

  11. @Bratenhengst: Du bezeichnest Feministinnen als Lynchmob. Diese Einschätzung zeugt von einem stark verzerrten Sichtweise der Wirklichkeit. Dass Frauen immer noch an vielen Stellen benachteiligt oder beleidigt werden, weil sie eben Frauen sind, und dass Feministinnen keineswegs klischeehafte Alice Schwarzers sind, hast du deshalb noch nicht bemerkt. Das übersieht man als Mann leicht — vor allem wenn man durch ein entsprechendes Weltbild die Umwelt aufgrund selektiv Wahrnehmung fehlerhaft bewertet. Dadurch entsteht dein Arrogante-Feministinnen-Feindbild. Als Mann scheint man für derartige Überheblichkeit besonders anfällig zu sein. Als Mann kann ich das beurteilen.

  12. Also ich finde, Feministinnen wie das Piratenweib bieten erst Anlass zu solchen Trollereien. Wenn sie unter neutralem Nick bloggen würde, oder auch unter weiblichem, aber ohne auf ihr Frau-Sein so viel Wert zu legen, gäbe es wohl kaum Trollereien … aber so fordert sie es geradezu herraus, man kann fast schon sagen, sie hat es verdient …

  13. @gruno: Verdient, bloß weil jemand sich “Piratenweib” nennt? Was für eine Frechheit das Geschlecht im Nick zu erwähnen! Findest das nicht etwas albern? Und was sollte daran falsch sein, “auf ihr Frau-Sein so viel Wert zu legen”? Ich lege auch Wert drauf dass ich ein Mann bin. Nur werde ich glücklicherweise nicht aufgrund meines Geschlechts beleidigt und mit Troll-Comments überflutet.

  14. @cubefox

    Du merkst es nur nicht. *zahngrinsen*

  15. @cubefox
    Dass aber inzwischen die überall propagierte Gleichheit sich immer nur auf das Gleicher-Machen-Von-Frauen bezieht, es also überall Frauenhäuser, Frauenbüros, Frauenbeauftragte usw. gibt, das übersiehst du wohl!
    Inzwischen wird es unbedingt Zeit, wieder nach den Männern zu gucken, vor allem den jungen! Schaut euch Statistiken an, über Durchfallquoten und Schulabbrecher, und ihr werdet sehen dass die schlechtesten der schlechetesten in den allermeisten Fällen Jungs sind! Und selbst wenn jetzt das “Tja-dann-haben-sies-wohl-verdient-Frauen-sind-halt-fleißiger”-Argument kommt, dann ist doch gerade das ein Zeichen dafür, dass man genau diesen jungs helfen muss!
    Und nicht mehr den Frauen, die wissen inzwischen wies geht…

  16. @Moritz
    “Dass aber inzwischen die überall propagierte Gleichheit sich immer nur auf das Gleicher-Machen-Von-Frauen bezieht, es also überall Frauenhäuser, Frauenbüros, Frauenbeauftragte usw. gibt, das übersiehst du wohl!”

    Erstens geht es ganz sicher nicht nur um Frauen. Es gibt beispielsweise auch Überlegungen, wie männliche Schüler besser gefördert werden können, etwa durch Männerquoten an Grundschulen. Zweitens spricht man längst nicht mehr von “Frauenbeauftragten”, sondern von Gleichstellungsbeauftragten. An die können sich Männer genauso wenden wie Frauen. Drittens ist es — trotz allem — leider noch immer eine Realität, dass Frauen weit öfter benachteiligt werden als Männer.

  17. Pingback: Die Ressource Ignoranz — CARTA

  18. Danke für diesen Beitrag.

    Ich hatte selbst mal ein ähnliches Problem auf Youtube (ich bin keine “Feministin”, sondern schlicht für den Respekt und die Gleichstellung jeden Menschens) inkl. ‘Morddrohungen’.
    Klar, am Anfang ärgert man sich schon, aber nach einiger Zeit und damit einhergehender Zunahme geistiger Reife weiss man solche Flamer einzusortieren.

    Ich hatte mal Zeit- und habe mir zwecks eigener Belustigung einen vorgenommen, den ich derart durch seine eigenen Aussagen vorführen konnte, ohne eine eigene Angriffsfläche zu bieten, und er aufgab. (Was bei solchen Flamern ein echtes Highight darstellt)

    Mit ein wenig Weitsicht, Horizont, Verstand und Humor lässt sich mehr oder minder problemlos mit zB Sexismus-Trollen umgehen.

    Und dafür muss man nicht erst alt und grau werden, ich selbst bin erst 23 =)

    Liebe Grüsse,
    Mia

  19. Pingback: Über Fakeaccounts « beyond xbg

  20. Pingback: Don’t feed … wen??? | Karnele

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