Wie kann ich böse sein ? (2)

Die simplen Methoden:

Wie eingangs schon angedeutet, kranken alle diese Methoden an einem inhärenten Mangel an Kreativität – wer sich im Keller sein eigenes Guantanamo einrichtet, wird zwar durchaus als abgrundtief böse eingeordnet, erfährt eine künstlerische Ver- bzw. Auf-Arbeitung jedoch bestenfalls durch Vertreter einer phrasenreichen Aufmerksamkeitshurerei, die wohl nur psychisch angeknackste Ex-Kommunisten zustande bringen können. Kurz: Bevor ob der sich ändernden netzpolitischen Verhältnisse ein Aufführungsverbot Linkverbot gegen dieses Blog ergeht, ergötzen wir uns doch lieber an alternativen Verfahren ohne Highscore.

Die komplexe Methode:

Prognosemärkte werden üblicherweise verwendet, um die oft zitierte “Weisheit der Massen” anzuzapfen – als solche scheinen sie auch durchaus brauchbar für Ereignisse, die durch die Prognose nur minimal beeinflusst werden. Was allerdings passiert im Falle selbst erfüllender Prophezeihungen ? Genau diese Frage beantwortet ein Essay des Kryptoanarchisten Jim Bell, der allerdings eine andere Fragestellung verfolgte: “Wie könnte die letzte Revolution aussehen; die, die alle Regierungen stürzt ?”

Die Antwort findet Bell in einer unheiligen Mischung aus Verschlüsselung, Anonymität und digitalem Geld: Die Beteiligten wetten auf einem Prognosemarkt anonym darauf, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt stirbt und zahlen ihren Einsatz mit nicht-rückverfolgbarem elektronischem Geld. Der mit dem Wetteinsatz verknüpfte Zeitpunkt wird jedoch verschlüsselt übermittelt, so dass der Veranstalter nur so viele Informationen erhält, wie unbedingt nötig. Eine öffentliche Liste mit den genannten Personen und den auf ihren Tod gewetteten Beträgen wird ständig aktualisiert.

Stirbt nun eine der genannten Personen, so schicken die Beteiligten – wiederum anonym – die zur Verschlüsselung des gewetteten Todeszeitpunkts verwendeten Schlüssel ein, zusammen mit jeweils einem weiteren. Der Gewinn wird an den- oder die-jenigen ausgezahlt, die den Todeszeitpunkt mit hinreichender Genauigkeit vorhersagten – auch dies erfolgt anonym: Das auszuzahlende elektronische Geld wird mit dem zweiten übermittelten Schlüssel verschlüsselt und alsdann veröffentlicht; eine Entschlüsselung (und subsequente Inanspruchnahme des Gewinns) ist nur dem Wettgewinner möglich. Für den Veranstalter ist dies wohl rechtlich vollkommen unbedenklich, sofern Kryptografie und Glücksspiel legal sind (IANAL).

Die Implikationen eines solchen Systems wären weitreichend: Zunächst einmal wäre auf jede Person des öffentlichen Lebens ein Kopfgeld ausgesetzt – nun, natürlich nicht im direkten, strafbaren Sinne. Es steht allerdings wohl außer Frage, dass bei einem hohen potentiellen Gewinn die Motivation für gewisse Personen steigen dürfte, selber mitzuwetten, um nach Verübung eines Attentats entlohnt zu werden. Ob Gewinner derartiger Wetten detaillierte Kenntnisse über den Todeszeitpunkt haben könnten, ließe sich jedoch schon aufgrund der inhärenten Anonymität nicht feststellen, nur traditionelle Polizeiarbeit (z.B. Ballistik) könnte zur Aufklärung beitragen. Folgerichtig nennt Bell dieses System Assassination Market.

Politikern, so Bell, wäre es unmöglich, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, sobald ein derartiges System existiere und akzeptiert sei. Inwiefern dies als plausibel beurteilt werden kann, ist mir unklar – stellt man sich allerdings vor, dass von den vielen Millionen Demonstranten, die im Jahr 2003 gegen den Irakkrieg protestierten, jeder auch nur 20€ auf den Tod der Kriegstreiber hätte wetten können, lässt sich die Diskussion auf eine einzige Frage reduzieren: Wieviel kostet ein Attentäter ?

13. Mai 2008 von admin
Kategorien: Linkschleuder, Misantropie als Bewältigungsstrategie | Schlagwörter: | Schreibe einen Kommentar

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