Sexistische Unlogik im studentischen Wahlkampf

Die Professuren sind zu 85,7% männlich besetzt. Deshalb wollen wir strukturelle Benachteiligungen bekämpfen und Chancengleichheit herstellen.
Aufschrift eines Wahlplakats der Linke[n].SDS zur Wahl des Studentenparlaments der HU

Obige Formulierung, die mir am Dienstag an einer Litfasssäule in der Nähe der HU begegnete, impliziert verbreiteten Sexismus und wird wohl – das vermute ich – von vielen Betrachtern als logisch wahre Schlussfolgerung anerkannt. Und doch handelt es sich bei dieser undifferenzierten Aussage um einen Fehlschluss: Daten qualitativ unterschiedlicher Teilpopulationen lassen sich nicht auf diese Weise zusammenführen. Was die Vernachlässigung detaillierter Umstände nach sich ziehen kann, zeigt im Wikipedia-Artikel zum Simpson-Paradoxon der sehr interessante Abschnitt zur Diskriminierungsklage gegen die UC Berkeley.

Als ich mit anwesenden Vertretern der betreffenden Liste über diesen argumentativen Mangel diskutieren will, lautet die Antwort immer wieder, es komme gar nicht auf eine korrekte Begründung an, Frauenförderung sei einfach notwendig. Mein Argument, dass ihr Wahlkampf somit auf Stammtisch-Niveau statt fände, lässt keiner der Angesprochenen gelten. Ich frage mich, ob die Verfasser des Plakates je einen Statistik-Kurs besucht haben.

Schnell wird umgeschwenkt auf die Wahl der Mittel: Quotierung muss sein, tönt es mir entgegen, wieder wird obige Zahl zitiert. Was ich als biologisch männliches Wesen dafür getan hätte, diskriminiert zu werden, wird mir nicht erklärt – mehr als die diffuse Aussage, Frauen hätten es halt schwieriger im Leben, erhalte ich nicht. Nachdem ich die Frage in den Raum stelle, ob eine Geschlechtsumwandlung wohl förderlich für eine Karriere bei den Grünen wäre, werde ich eingeladen, einer Debatte über Hochschulpolitik beizuwohnen. Da mir das alles zu bunt wird, gehe ich; in der S-Bahn skizziere ich eine Geschichte zum Thema.

Bart, Lisa und die Geschlechtergerechtigkeit

Angenommen, die Universität Springfield richtet zwei neue Professuren für Magnetohydrodynamik ein. Es gibt zehn gleichermaßen qualifizierte Bewerber – acht Männer und zwei Frauen, darunter Bart und Lisa. Hätte jeder von ihnen eine gleiche Chance auf die Professur, so läge diese bei 20%; die Chance, dass die Professur männlich besetzt würde, läge allerdings bei 80% – dem männlichen Bewerberanteil.

Nun ist Springfield jedoch feministisch „geschlechtergerecht“ eingestellt, weswegen eine Stelle garantiert von einer Frau, die andere garantiert von einem Mann besetzt werden muss. Lisa konkurriert nun nur noch gegen eine andere Frau und hat eine Chance von 50% auf die Professur, während Bart sich gegen sieben Mitbewerber durchsetzen muss und somit nur noch eine Chance von 12,5% hat, die Professur zu erhalten.

Langsam fährt die Kamera durch die Straßen Berlins, umkreist die eingangs erwähnte Litfasssäule und fokussiert ein Wort: Chancengleichheit

Mehr interessante Statistikfehler gibt es übrigens bei USA Erklärt, dort zum Thema Todesstrafe, gegen die ja immer wieder gehalten wird, sie sei rassistisch:

[…] Studien weisen darauf hin, dass die Mörder von Weißen überproportional häufig hingerichtet [PDF] werden, egal welcher Rasse sie selbst angehören:

Da der überwiegende Anteil der Morde an Weißen von Weißen begangen werden, würde das System damit [wieder] Weiße diskriminieren, denn sie würden für das gleiche Verbrechen eher hingerichtet. […]

30. Januar 2009 von erlehmann
Kategorien: Politik | Schlagwörter: , , , , , | 2 Kommentare

Kommentare (2)

  1. Das, was du hier mit der “Springfield-Universität” erklärst, habe ich im Politik-Unterricht auch erst gegen Frauenquoten angeführt, weil es – um ein klares Beispiel zu nennen – in der IT-Branche total absurd wäre, irgendwelche bestimmten Prozentsätze zu fordern, obwohl sich Frauen dafür weniger interessieren. Umgekehrt natürlich genauso in der Textilindustrie.

    Nebenbei bemerkt finde ich es übrigens diskriminierend Männern gegenüber, dass Frauen ständig irgendwelche Möglichkeiten zu Schnupperkursen etc. im naturwissenschaftlichen Bereich erhalten. So kam erst kürzlich mein Mathematik-Lehrer mit einem Zettel in den Unterricht, las ihn vor und hielt inne: “Da sind ja nur Frauen zugelassen. Ja, hier steht nur Schülerinnen” (ohne Slash oder großes I). Dabei ging es um die Besichtigung eines Universitätsinstitutes oder so.

    Genauso wird der Girl’s Day komplett von der Schule organisiert, will man als Junge zum Boy’s Day, dann muss man sich um seine Freistellung vom Unterricht sowie Anfahrt zur Hochschule selbst kümmern.

    Ich höre lieber auf, bevor ich mich noch mehr aufrege. Ein letztes noch: “Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend” (fällt etwas auf?)

  2. Um das Beispiel mit der IT-Branche aufzugreifen: Grade hier haben wir doch ein Henne-Ei-Problem. Mädels interessieren sich deswegen nicht für die Thematik, weil es keine grossen Mädels gibt, die es vorleben.
    Allerdings ist es grade in Branchen, in denen Köpfchen gefragt ist, wichtig, möglichst vielschichtigen Input an Ideen zu bekommen. In der momentanen Situation kommen wir an ca. 50% der Ideen (nämlich die in den weiblichen Köpfen) nicht heran, weil es haufenweise Mädels gibt, die vielleicht interessiert wären, aber sich denken “alleine unter lauter Jungs, da hab ich keinen Bock drauf”. Es studieren so wenige Mädels Informatik, weil so wenige Mädels Informatik studieren.
    Und der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist es, Mädels aktiv zu fördern, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen – wenn wir das nämlich nicht hinkriegen, gucken wir ziemlich bald in die Röhre. Ja, das heisst, dass das für die Jungs erstmal ungerecht ist. Aber es ist notwendig.
    Deswegen brauchen wir nen Girl’s Day, deswegen brauchen wir Schnupperkurse, deswegen brauchen wir Quotenregelungen. Wir könnens uns einfach nicht leisten, die Hälfte des verfügbaren geistigen Potentials zuhause in der Küche versauern zu lassen. Auch, wenns mir als Mann natürlich lieber wäre, ne anständige Rollenaufteilung wie im letzten Jahrundert zu haben… :-)

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