Jugendmedienstaatsverbot

Gerade hat der Bundespräsident das Netzsperren-Gesetz dann doch noch unterzeichnet, da wird bereits schon ausgeholt für die nächsten Schlag gegen das freie Internet: Mit dem geplanten Jugendmedienstaatsvertrag (Entwurf) stehen Maßnahmen wie umfassende Internetsperren, Alterskennzeichnung von Webseiten und Sendezeiten im Internet auf der Agenda. Genaueres findet man beim AK Zensur, Peter Kröner fasst die Implikationen zusammen:

  • Es wird eine Art Deutschland-Intranet plus X erschaffen — für ein paar kommerzielle große Websites aus dem Ausland wird es sich sicher lohnen, den JMStV zu befolgen, für euer liebstes […] Blog aus Übersee sicher nicht. Dieses wird dann also einfach geblockt und das war‘s. Ein ähnliches Schicksal könnte viele Websites und Dienste ereilen: Github, Microformats.org, der HTML5-Entwurf der WHATWG, sonstige wichtige Open-Source-Projekte [würden geblockt].
  • Der geneigte […] Blogger wird verpflichtet, seine Kommentare zeitnah auf Unbedenklichkeit […] zu prüfen. Weder weiß man, was zeitnah ist, noch dürften […] die meisten von uns juristisch genug geschult sein, um das zu beurteilen.
  • Wenn an allen Ecken und Enden Zäune und Schranken aufgestellt werden, wird es zunehmend unmöglich, in offenen Prozessen via Internet gemeinsam Wissen zu erarbeiten oder auch nur seine Euros zu verdienen — selbst wenn hierbei alle beteiligten Personen über 18 sein sollten, wenn etwas gesperrt oder erst ab 22 Uhr zugänglich ist, ist das nicht zu ändern.

Gerrit van Aaken prognostiziert hierzu treffend: Der nächste Schritt in diesem Wahnsinn wäre höchstwahrscheinlich ein Genehmigungsverfahren, bei dem man Sendelizenzen für das Internet erwerben kann.

Als welche moralische Instanz sich die entsprechenden Stellen positionieren, ist anhand des dritten Berichts der KJM über die Durchführung der Bestimmungen des JMStV erkenntlich: Im Bericht werden u.A. pornografische[n] Abbildungen mit außergewöhnliche[n] und bizarre sexuelle[n] Praktiken […] (Seite 41) als Teilgebiet des bisherigen Engagements genannt; weiterhin als „Problemfelder“ charakterisiert werden Rapmusik (Seite 35) und netzwerkbasierte Computerspiele (Seite 43f), wobei hier insbesondere user generated content als Gefahr eingestuft wird (Spore lässt grüßen). Besonders im Hinblick auf die neuen Vorschriften zur Jugendpornografie bedeutsam erscheint:

Auch Jugendliche selbst stellen über die vielfältigen technischen Möglichkeiten – die immer einfacher zu handhaben sind und immer günstiger zur Verfügung stehen – Inhalte ins Netz, die nicht unbedingt den gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen entsprechen.

Selbst gibt man zu (Abschnitt B.10.1, Seite 41):

Die KJM hatte sich bereits im Jahr 2003 mit dem Thema befasst und Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider von Anfang an als mögliche ultima ratio-Maßnahme angesehen.

Noch deutlicher wird nur an einer Stelle, mit welcher Ideologie wir es hier zu tun haben: Kapitel C.2 (Seite 55) ist überschrieben mit Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.

Wie es um existierende Jugendmedien nach dem Beschluss eines derartigen Staatsvertrages bestellt sein könnte, lässt sich übrigens erahnen: Die Google-Suche nach „b random“ brachte bis vor einiger Zeit keinen Link auf 4chan /b/, weil die entsprechende Seite auf einer Zensurliste stand (siehe mein Interview mit moot). Und auch bei der Suche nach „bernd krautchan“ werden aktuell mehrere Suchergebnisse zensiert — dank deutscher Behörden (Krautchan selber taucht auf Wunsch der Betreiber nicht auf).

Ein Portal mit umfangreichen Informationen zum Engagement gegen dieses Gesetzesvorhaben gibt es im Wiki der Piratenpartei.

18. Februar 2010 von erlehmann
Kategorien: Deutschland, Netzpolitik | Schlagwörter: , , , , , | 4 Kommentare

Kommentare (4)

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